Interview mit Frank Bsirske

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Team IG Metall: Rezession, Fachkräftemangel, demographischer Wandel – Wie wirken sich diese Faktoren mittelfristig auf den Arbeitsmarkt in Deutschland aus?

Frank Bsirske: Die Ampelkoalition hat 2022 die Krise beherrschbar gemacht, so dass Deutschland diesen Jahr voraussichtlich eine Rezession erspart bleibt. Mittelfristig droht der Fachkräftemangel aber zu einem echten Risiko für die Wirtschaft in unserem Land zu werden, getrieben vom demographischen Wandel. Hier gilt es, gegenzusteuern: mit einer Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit; Gute Arbeit, um länger arbeiten zu können; mit Aus -und Weiterbildungsangeboten, um zusätzliche Potentiale zu erschließen und indem wir mehr ausländische Arbeitskräfte dafür gewinnen, zu uns zu kommen und dann auch hier zu bleiben.

Team IG Metall: Tarifflucht, immer weniger Mitglieder – Steht es wirklich so schlecht um Gewerkschaften? Oder sind Unternehmer die besseren „Gewerkschafter“?

Frank Bsirske: Ich kenne keine Organisation in Deutschland, der es so wie den Gewerkschaften Jahr für Jahr gelingt, hunderttausende neue Mitglieder zu gewinnen. Zusammen mehr erreichen zu können als jede und jeder für sich allein – das ist der Sinn von Gewerkschaften. Die Vertretung der eigenen Interessen selbst in die Hand zu nehmen und sich dafür mit anderen zusammenzuschließen – das machen auch die Unternehmer, in eigenen Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden. Ich bin zuversichtlich, dass die Tarifbindung in den kommenden Jahren steigen und der Organisationsgrad auf der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zunehmen wird.

Team IG Metall: Sie haben selber viele Tarifverträge verhandelt. Wie sinnvoll sind diese noch und fesseln sie die Arbeitgeber nicht zu sehr?

Frank Bsirske: Tarifverträge schützen! Mit Tarifverträgen erhalten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt 20 Prozent und mehr Lohn als Arbeitnehmer*innen ohne Tarifvertrag. Hinzu kommen bessere Arbeitsbedingungen, kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaub und viele weitere Vorteile. Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, Wettbewerbsvorteile durch Lohndrückerei zu erlangen und solche, die starke Arbeitnehmerorganisationen aus dem Betrieb heraushalten wollen, mögen Tarifverträge als Fesseln empfinden. Für Arbeitnehmer*innen aber sind sie der verlässlichste Schlüssel zu fairen Arbeits -und Entlohnungsbedingungen.

Team IG Metall: Warum ist die betriebliche Mitbestimmung in deutschen Unternehmen richtig und wichtig?

Frank Bsirske:  Mitbestimmung eröffnet Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit, mehr Einfluss nehmen zu können auf das, was mit ihnen “auf der Arbeit” passiert. Sie dient dem Schutz der Beschäftigten und ermöglicht Mitgestaltung am Arbeitsplatz. Sie hilft Konflikte im Betrieb zu lösen und wirken sich wissenschaftlichen Studien zufolge in vielen Fällen auch positiv auf die Innovationskraft von Unternehmen aus.

Team IG Metall: Würth ist im Wandel vom Händler zum Hersteller. Wo sehen Sie Chancen und Gefahren einer solchen Transformation?

Frank Bsirske: Würth hat einen guten Namen, wenn es um Qualität und Zuverlässigkeit geht. Wenn dies auch mit neuen Produkten aus eigener Herstellung gelingt, eröffnet die Transformation mehr Kontrolle über die Wertschöpfungskette. Wichtig ist dabei, die Belegschaft mitzunehmen, sie für veränderte Aufgaben gut zu qualifizieren und an der Gestaltung der Prozesse zu beteiligen. Man Identifiziert am ehesten mit den Strukturen, die man selbst mitgestaltet hat.

Vielen Dank für das Interview.

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Uwe Bauer, 1. Bevollmächtigter (Geschäftsführer)

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